Farbenordnung

Stephan Eusemann und
das Ispo EuColor-System

In den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts setzte der 1924 geborene Stephan Eusemann (Abb.1) in der deutschen Farbenszene Akzente: er war Professor an der Hochschule für Textilgestaltung und Flächendesign in Nürnberg, der sich u.a. mit der Wirkung von Farben und farbigen Textilien im Innenraum beschäftigte; er entwickelte ein eigenes Farbsystem, betätigte sich als Farbgestalter in der Architektur sowohl im Innen- als auch Außenbereich und war aktives Mitglied in verschiedenen Farbenvereinen. Aufgrund einer langandauernden und schweren Krankheit konnte er nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und verstarb im Januar 2005 völlig unbeachtet von der Farbenszene, die er so lange mitbestimmt hatte.

Abb. 1: Doppelportrait von Stephan Eusemann aus der INKU Boden Wand Decken Illustrierten vom September 1974

Als Höhepunkt von Eusemanns Arbeit darf sicherlich sein Farbsystem betrachtet werden, das mit der Zielsetzung entwickelt wurde, den Gestaltungsprozess möglichst effektiv und nachvollziehbar zu machen. Die Entwicklung des Systems vollzog sich sukzessive in mehreren Schritten. Die erste Konzeption des Systems findet sich in seiner Publikation Farbklänge im Innenausbau von 1975 [1]. Hier stellt er ein Farbsystem vor, dem ein 18-teiliger Farbenkreis zugrunde liegt, der aus den drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau entwickelt ist (Abb. 2). Die einzelnen Farbtonebenen sind nach Helligkeit und Buntheit, die Eusemann als Sättigung bezeichnet, strukturiert (Abb. 3). Als Farbkörper resultiert hieraus ein schiefer Doppelkegel (Abb. 4). Dieses rein qualitativen und nur farbig illustrierten Systems bedient sich Eusemann auch noch ein Jahr später als er Farbkonzepte für sanitäre Einrichtungen (Krankenhausbetten und Nachttische) der Firma Stiegelmeyer entwirft [2].

Abb. 2: Eusemanns 18-teiliger Farbenkreis (1975)

Abb. 3: Zwei sich gegenüber liegende Bunttonebenen, die nach Helligkeit (waagerechte Reihen) und Sättigung (senkrechte Reihen) strukturiert sind (1975)

Abb. 4: Modell des schiefen Doppelkegels mit hervorgehobener Lage des Farbenkreises (1975)

Kurz darauf kommt es dann zur Zusammenarbeit mit der Firma Ispo, einem Hersteller von Baufarben, für den Eusemann sein System modifiziert und zusammen mit der Präsentationsform für eine Farbenkarte und einem Schablonenset zur Bestimmung harmonischer Farbkombinationen patentieren lässt [3]. Durch die Veränderung wird das ursprünglich qualitative System mit empfindungsgemäßen Merkmalen zu einem quantitativen Farbmischsystem umgewandelt. Bei diesem sogenannten Ispo EuColor-System wird der ursprüngliche Farbenkreis beibehalten, dessen Farben jetzt aber in Normfarbwerten festgelegt werden. Die einzelnen Bunttonebenen werden jetzt nicht mehr nach Helligkeit und Sättigung strukturiert, sondern im Hinblick auf die Erfordernisse in der Architektur durch Weißaufhellungsreihen à la Prase (Abb. 5).

Abb. 5: Bunttonebene nach der Systematik des Malermeisters Otto Prase mit Verdunklungs- und Weißaufhellungsreihen von 1912 [4]

Dabei wird jede der 18 Ausgangsfarben, die sogenannten Vollfarben, zunächst in empfindungsgemäß gleichen Stufen nach Schwarz hin verdunkelt; anschließend wird jede dieser Stufen wiederum in empfindungsgemäß gleichen Schritten nach Weiß hin aufgehellt (Abb. 6). Die Aufhellung in visuell gleichen Stufen erfolgt in Anbindung an die Farbmetrik über die Festlegung von Hellbezugswerten, wobei die Abstände der Grautöne der Schwarz-Weiß-Achse der Maßstab für die Hellbezugswerte der jeweils übrigen Reihen eines Bunttons bilden. Mit dieser Methode beansprucht Eusemann unter Berufung auf Manfred Richter, ein empfindungsgemäß gleichabständiges System erstellt zu haben, wobei es sich jedoch aufgrund der Verdichtung auf Weiß hin bestenfalls um eine großzügig aufgefasste spezifische Gleichabständigkeit (d.h. innerhalb einzelner Farbreihen) handeln kann. Die verschiedenen bunttongleichen Dreiecke ergeben zusammengesetzt wiederum einen schiefen Doppelkegel, wobei die Schieflage des Farbenkreises diesmal nach den entsprechenden Hellbezugswerten gemessen an der Grauachse ausgerichtet ist (Abb. 7).

Abb. 6: Schematische Bunttonebene des EuColor-Systems mit Abdunklungs- und Aufhellungsreihen aus einem Prospekt der Firma Ispo, wobei die Vollfarbe hier als Grundton bezeichnet wird [5]

Abb. 7: Ausgefärbte Version des EuColor-Farbkörpers [5]

Für die Anwendung in der Praxis, d.h. zur Präsentation der Muster und zum Auflegen der Schablonen, die harmonische Farbklänge enthüllen sollen, wird der Farbkörper anschließend in einen Zylinder umgewandelt, in welchem die Verdunklungsreihe die waagerechte Basis bildet und die Weißaufhellungsreihen senkrecht und parallel nebeneinander angeordnet sind (Abb. 8). Die darauf aufgebaute Farbenkarte kann jetzt so aufgeklappt werden, dass der zylinderförmige Farbkörper - wie patentiert - plastisch hervortritt (Abb. 9). In den folgenden Jahren erscheint das System in leichten Modifikationen, welche die Anzahl der Bunttöne, der Abdunklungs- und Weißaufhellungsreihen betreffen. Die auf Otto Prase zurückgehende Grundsystematik [4] wird jedoch beibehalten.

Abb. 8: Umorganisation der Bunttonebenen von der Dreiecksform zur Rechteckform mit Zylinderkoordinaten, die der Anordnung in der Farbenkarte entsprechen [5]

Abb. 9: Schema der Farbenkarte als Faltmodell, das als sternförmiger Farbkörper aufgestellt werden kann; aus der Patentschrift, die 1980 angemeldet und 1983 veröffentlicht wurde [3]

Zu Beginn der 80er Jahre erscheint die erste Version des ispo EuColorsystems, die eine direkte Umsetzung der in der Patentschrift festgelegten Verhältnisse ist (Abb. 10). Dementsprechend umfasst das System 18 Bunttöne. Von jedem Buntton gibt es drei Verdunklungs- und sieben Aufhellungsreihen (Abb. 11), so dass das System insgesamt 585 verschiedene Farben einschließlich der 9-teiligen Grauachse umfasst.

Abb. 10: Farbkarte des Ispo EuColor-Systems mit 585 Farben aufgeklappt als Farbkörper entsprechend Abb. 9, Anfang der 80er [6]

Abb. 11: Gelbe Bunttonebene (erste Version um 1982)

Mitte der 80er wird das System zum ersten Mal modifiziert und den Bedürfnissen des Marktes besser angepasst, indem zunächst zwei weitere Bunttöne im Bereich von Gelb und Orange aufgenommen werden um diesen für die Architekturfarbigkeit so wichtigen Farbbereich dichter zu besetzen. Außerdem wird die Zahl der Abdunklungsstufen von drei auf sechs erweitert, während die Zahl der Weißaufhellungsstufen von sieben auf fünf reduziert wird (Abb. 12). Eine Grauachse fehlt seltsamerweise. Damit ist das System auf insgesamt 840 Farben aufgestockt, was sich auch in der Bezeichnung ispo EuColorsystem 840 niederschlägt [5,7].

Abb. 12: Gelbe Bunttonebene (zweite Version um 1985)

Die letzte Systemvariante erscheint Mitte der 90er mit der zukunftsweisenden Bezeichnung ispo EuColor-System 2001, jetzt allerdings entgegen dem allgemeinen Trend [9] in deutlich reduzierter Form. Die Anzahl der Bunttonebenen ist verringert auf 16, genauso wie die Abdunklungs- und Aufhellungsstufen auf vier, so dass das System jetzt einschließlich zehnteiliger Grauachse insgesamt 410 Farben umfasst (Abb. 13), die wie in den Ausgaben zuvor auch sehr akkurat als Aufstrichfarben ausgeführt sind und eine gute spezifische Gleichabständigkeit aufweisen. Dafür kann das regelmäßige Gitter in der Projektion ins Cielab als Indikator gelten (Abb. 14).

Abb. 13: Gelbe Bunttonebene (dritte Version um 1995)

Abb. 14: Die Projektion der gelben ispo EuColor-Bunttonebene aus Abb. 13 ins Buntheits-Helligkeits-Diagramm des Cielab zeigt die regelmäßige Gitterstruktur mit der Verdichtung auf Weiß hin.

Mit der Übernahme von Ispo durch den Konkurrenten Sto im Jahr 2002 wurde auch die Produktion der auf dem EuColor-System basierenden Farbkarten eingestellt, was wohl zumindest das vorläufige Ende des ispo EuColorsystems bedeutet, das sich nicht nur durch eine für den Baufarbenbereich ideale Systematik auszeichnete, die sich schon seit Prase bewährt hatte. Darüberhinaus erwies sich Eusemann mit der Patentierung, mit der Namensgebung EuColor (das auch interpretiert werden kann als EuropaColor) und mit der in die Zukunft weisenden und Modernität und Fortschritt verheissenden Bezeichnung 2001 auch als ein geschickter Vermarkter seines Produkts.


Literatur

  • [1] Eusemann, S., Farbklänge im Innenausbau. Würzburg: Stürtz Verlag 1975
  • [2] Eusemann, S., Stiegelmeyer bekennt Farbe. Herford: Johann Joh. Stiegelmeyer & Co. 1976
  • [3] Eusemann, S., Vorrichtung zur Bestimmung harmonischer Farbkombinationen. Patentschrift DE 3033797C2. 1983
  • [4] Baumann, P., Baumanns neue Farbtonkarte, System Prase. Aue: Paul Baumann 1912
  • [5] Ispo, ispo EuColorsystem 840, Das System und seine praktische Anwendung (Werbeprospekt). Kriftel: Ispo ca. 1985
  • [6] Ispo, Das ispo EuColorsystem (Farbenkarte). Kriftel: Ispo ca. 1982
  • [7] Ispo, ispo EuColorsystem 840 (Farbenfächer). Kriftel: Ispo ca. 1985
  • [8] Ispo, ispo EuColor-System 2001 (Farbenkarte). Kriftel: Ispo ca. 1995
  • [9] Schwarz, A., Farbsysteme und der Baufarbenbereich. In: Jahrbuch Farbe Interdiszlipinär (2006), S. 53 - 63