Farbdidaktik

Vorschlag für ein didaktisches Farbordnungsmodell

Titelabbildung: Didaktisches Farbordnungsmodell

Das hier vorgeschlagene didaktische Farbordnungsmodell knüpft soweit als möglich an traditionelle Beziehungen an, steht im Einklang mit den modernen Erkenntnissen der Farbforschung und ist nur den Merkmalen der menschlichen Farbwahrnehmung verpflichtet, die eine unvoreingenommene Sicht auf Farben und Farbwirkungen in Bildern zulassen, ohne dass der Blick entweder durch ein ästhetisches Filter, wie es die Ittenschen Farbkontraste darstellen, eingeschränkt und einseitig gelenkt [3, S. 35f], oder auf eine rein technologische Betrachtungsweise reduziert wird wie bei Küppers [3, S. 37]. Das hier empfohlene Modell ist ausschließlich auf Unterrichtstauglichkeit hin konzipiert!

Die Gestalt des didaktischen Farbkörpermodells ist keineswegs neu. Als rein psychologisch aufgefasste Farbordnung taucht dieses Modell - mit leichten Abwandlungen - schon früher auf. Als Beispiele seien hier Pope und Hellpach angeführt. Arthur Pope entwickelte sein Modell des schiefen Doppelkegels bereits 1922 (Abb. 1). Auch Pope verfolgte mit seinem Modell schon das gleiche Ziel, nämlich ein effektives Kommunikationsmittel für den Unterricht zur Verfügung zu haben [5; 2, S. 31f]. Das Modell von Willy Hellpach wurde 1946 publiziert und von ihm wie folgt beschrieben: „Der Doppelkegel ist schief, weil die Verbindungslinien von den eigenhelleren Farben wie Gelb zum Weiß hin kürzer, zum Schwarz hin länger sind, die Verbindungslinien der eigendunkleren Farben wie Violett zum Schwarz hin kürzer, zum Weiß hin länger sind, zwischen Gelb und Weiß gibt es weniger Zwischenstufen des Hellgelb und Gelblichweiß als zwischen Gelb und Schwarz Zwischenstufen des Dunkelgelb, und zwischen Violett und Weiß gibt es mehr Stufen als zwischen Violett und Schwarz: Gelb steht dem Weiß näher, dem Schwarz ferner, Violett steht dem Schwarz näher, dem Weiß ferner. Der veranschaulichende Farbendoppelkegel hat also diese Gestalt: (Abb. 2)" [6, S. 132f]. Dieses Zitat wird hier so ausführlich wiedergegeben, weil Hellpachs Arbeit bis jetzt nahezu unbekannt ist.

Abb. 1 (li.)
Popes schiefer Doppelkegel mit Farbkreisprojektion von 1922, aus [5, S. 14]
Abb. 2 (re.)
Hellpachs schiefer Doppelkegel von 1946, bei dem die Grauachse nicht senkrecht steht, sondern schief zum Farbenkreis ausgerichtet ist, aus [6, S. 133]

Der hier vorgeschlagene schiefe Doppelkegel (Abb. 3; 4) unterscheidet sich nur marginal in seiner Geometrie von den Vorgängermodellen. Im Vergleich zu Pope sitzt das Gelb etwas tiefer und das Violett etwas höher während bei Hellpach das Gelb und das Violett noch etwas weiter von den Polen Weiß, bzw. Schwarz entfernt sind. Es wird bei dem hier präsentierten Modell allerdings auch kein Wert auf strenge und völlig exakte geometrische Verhältnisse gelegt. Es kommt nur darauf an, dass die Helligkeitsverhältnisse der stark bunten Farben in etwa gewahrt bleiben: Der Farbkörper soll deshalb in erster Linie deutlich höher als breit sein, da es Schülern erfahrungsgemäß wesentlich leichter fällt, mehr Helligkeits- als Buntheitsstufen zu unterscheiden, wobei die Anzahl der eingeschalteten Stufen unerheblich ist und variieren kann. Weiterhin sollte die deutliche Schieflage des Farbenkreises beachtet werden. Mit Gelb, Orange, Rot, Violett, Blau und Grün, die gleiche Abstände auf dem Farbenkreis einnehmen, wird die klassische Farbtonfolge des Kunstunterrichts beibehalten, jedoch nicht im Sinne von sogenannten Grund- und Sekundärfarben der subtraktiven Mischung, sondern ausschließlich als rein phänomenologisch aufgefasste Empfindungsqualitäten. Diese Ausrichtung der Farbtöne ist kein Kompromiss, sondern trägt der Tatsache Rechnung, dass sich jeweils die Farben, die für die Empfindung am weitesten voneinander entfernt liegen, den jeweils größten Abstand voneinander einnehmen. Der Farbenkreis nimmt eine schräge Stellung im Doppelkegel ein, da Gelb und Violett das größte Helligkeitsgefälle aufweisen. Mittels einer (gedachten) Hilfskonstruktion lässt sich das Modell schnell an die Tafel skizzieren (Abb. 3).

Der entscheidende Unterschied zu den Vorgängermodellen liegt darin, dass die innere Strukturierung des didaktischen Farbkörpermodells mit den klar definierten und ausschließlich der menschlichen Wahrnehmung verpflichteten Parametern Farbton, Helligkeit und Buntheit erfolgt (Abb. 4), was weder bei Pope, noch bei Hellpach der Fall ist, die jeweils mit dem letztgenannten Parameter Probleme haben, den sie als „intensity" (Pope) oder „Sättigung" (Hellpach) bezeichnen und nicht rein psychologisch auffassen, sondern mit Mischbeziehungen in Verbindung bringen, was dem rein psychologischen Charakter ihrer Modelle abträglich ist.

Abb. 3
Für die Tafel gedachter schrittweiser Aufbau des didaktischen Farbkörpermodells (schiefer Doppelkegel) mittels eines Rasters, das man sich nur denken braucht und das nicht eigens mitgezeichnet werden muss

Abb. 4
Schematisches Modell des didaktischen Farbkörpers mit innerer Strukturierung nach Helligkeit (waagerechte Linien) und Buntheit (senkrechte Linien)

Das hier vorgestellte Modell basiert ausschließlich auf den empfindungsgemäßen Farbmerkmalen Farbton, Helligkeit und Buntheit und ist rein qualitativer Natur. Es trägt u.a. zu einer differenzierten Verständigung über Farben bei, da beispielsweise ein bestimmtes Blau nicht mehr einfach nur ein Blau ist, sondern etwa ein leicht zum Grünen neigendes helles Blau von mittlerer Buntheit. Auf diese Weise lassen sich Farben bestimmen und in das Modell projizieren. Über die Lage verschiedener Farben lassen sich dann beispielsweise bei der Bildanalyse ästhetische Beziehungen von Farbkonstellationen beschreiben und begründen [3]. Anders als etwa bei Pope ist bei dem hier beschriebenen didaktischen Farbkörpermodell keine Abgrenzung zu anderen Systemen angestrebt, sondern im Gegenteil eine enge Anbindung an auf dem Markt befindlichen wie RAL Design System, ACC-System oder Munsell. Das gewährleistet, dass deren Farbmuster zur Veranschaulichung des didaktischen Modells und zum Umgang mit konkreten Farben im Unterricht herangezogen werden können und sollen. Dies dient einem vertieften Verständnis für das didaktische Farbkörpermodell und damit den komplizierten Beziehungen im Inneren des Farbenraums, die bisher im Unterricht weitgehend vernachlässigt werden, (Abb. 5; 6).

Abb. 5 (li.)
Illustration der losen Beziehung zwischen den realisierten Farbmustern im RAL Design System zum didaktischen Farbkörpermodell, dessen Farbtonausrichtung zu diesem Zweck leicht verschoben wurde (aus der Posterbeilage zu [3])
Abb. 6 (re.)
Veranschaulichung der Gelbebene mit den Farben aus dem Farbenfächer des ACC-Systems (Sikkens-Color-Collection 3031+), soweit sie in das Modell passen oder zur Verfügung stehen

Der Dank des Verfassers gilt Prof. Friedrich Schmuck für wertvolle Tips zum didaktischen Doppelkegelmodell sowie Michael Marschhauser für die Anfertigung von Grafiken.


Literatur

  • [1] Schwarz, A., Seitz, F. & Schmuck, F., Immer wieder Itten ...? - Neue Ansätze zum Umgang mit Farbe im Kunstunterricht. Düsseldorf: BDK-NRW 2003
  • [2] Schwarz, A., Farbsysteme und Farbmuster - Die Rolle der Ausfärbung in der historischen Entwicklung der Farbsysteme. Hannover: BDK-Verlag 2004
  • [3] Schwarz, A. & Schmuck, F., Farben sehen lernen! - Mischkurs, Bildanalyse und kritische Betrachtung der Theorien von Itten und Küppers. Düsseldorf: BDK-NRW 2008
  • [4] Schwarz, A., Die Farbkontraste und der Kunstunterricht. In: Immer wieder Itten ...?. Hrsg. vom BDK-NRW. Düsseldorf 2003, S. 7 - 14
  • [5] Pope, A., Tone Relations in Painting. Cambridge: Harvard University Press 1922
  • [6] Hellpach, W., Sinne und Seele - Zwölf Gänge in ihrem Grenzdickicht. Stuttgart: Ferdinand Enke 1946