Farbdidaktik

Farbenlehre im Kunstunterricht der Sekundarstufen I und II - Das Problem der „Grundfarben“

Historischer Abriss

Die „Farbenlehre" einschließlich der „Grundfarben" gehören zum großen Steinbruch der Fachwissenschaft, aus dem sich der Kunstpädagoge für seinen Unterricht bedient. Was den letztgenannten Bereich angeht, bislang allerdings sehr einseitig und im wesentlichen reduziert auf das Gelb-Rot-Blau Paradigma, was immer auch darunter verstanden wird! Angesichts Generationen von Schülern, die oft nach stupiden, eine fragwürdige Theorie abbildenden, Farbkreismischübungen irritiert und frustriert auf ihr Ergebnis starren, das trotz größter Bemühungen nicht an die leuchtende und farbkräftige Vorlage im Buch oder auf Postern heranreicht, ist es Zeit, den Verursachern ein paar Denkanstösse zu liefern, die zu einer sowohl der Sache als auch dem Subjekt angemessenen Zugangsweise im Umgang mit Farben beitragen sollen. Einen Einstieg in dieses zugegebenermaßen komplexe Gebiet liefert ein kurzer historischer Abriss [Anm. 1], der einen exemplarischen Einblick in die Entwicklung, die Vielfalt und die Problematik gewährt, die mit so genannten „Grundfarben" verbunden ist.

Wen wundert es, dass die Idee, die Gesamtheit aller farbigen Erscheinungen auf einige Grundelemente zurückzuführen, schon in der griechischen Antike zu finden ist. Der nachhaltigste Ansatz stammt hier von Aristoteles, der postulierte, dass alle bunten Farben aus dem Zusammenspiel von Licht und Finsternis - repräsentiert durch Weiß und Schwarz - hervorgehen. Entsprechend platziert er 5 bunte Farben (das Gelbe, das Rote, das Purpurne, das Grüne, das Blaue) gemäß ihrer Helligkeit zwischen Weiß und Schwarz und bemerkt dazu, dass sich aus diesen wiederum alle weiteren erzeugen lassen. Diese lineare Helligkeitsskala mit den beiden Endpunkten Weiß und Schwarz hatte ca. 2000 Jahre Bestand als Ordnungsschema für die Farben.

Abgesehen von der Frage, was denn Farbe genau ist und wie das „Hervorgehen" von Farben aus anderen von statten geht, taucht auch hier schon bezogen auf die Grundfarben ein bis heute aktuelles Problem auf, nämlich die Stellung von Weiß und Schwarz zu den bunten Farben. Laut Aristoteles gibt es offensichtlich zwei qualitativ unterschiedliche Arten von Grundfarbensets: einmal Weiß - Schwarz und daraus hervorgehend die 5 bunten Farben, aus denen sich wiederum der gesamte Rest erzeugen lässt.

1613 taucht dann die Aristotelische Helligkeitsreihe erstmals als gedrucktes Farbdiagramm (Abb. 1) in der Optik des Jesuitenpaters Franciscus Aguilonius (1567 - 1717) auf, wobei die bunten Farben jetzt auf die Trias Gelb-Rot-Blau reduziert ist, die gemäß ihrer Eigenhelligheit zwischen Weiß und Schwarz angeordnet sind. Die Bögen ober- und unterhalb der Farbenreihe geben Mischmöglichkeiten an, die sich jetzt eindeutig auf die Erfahrungen im Umgang mit Pigmenten beziehen. So ergibt die Mischung aus Gelb (flavus) mit Blau (caeruleus) ein Grün (viridis), Rot (rubeus) mit Blau ergibt ein Purpur, bzw. Violett (purpureus) und Gelb mit Rot resultiert in Orange (aureus), eigentlich „Goldfarben", aber der Farbname für Orange bürgerte sich erst viel später ein. Welche Pigmente jeweils für Gelb, Rot und Blau benutzt wurden, lässt sich über Gemäldeanalysen von Bildern von Peter Paul Rubens (1577 -1640) rekonstruieren, auf den der Abschnitt über die Farben in Aguilonius' Optik, die Rubens mit Kupferstichen illustrierte, wahrscheinlich zurückgeht. Die reduzierte Palette von Rubens beinhaltete lange nicht solch reine und brillante Pigmente, wie sie uns heute zur Verfügung stehen. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, weshalb im Begleittext zum Farbdiagramm ausdrücklich vor einer Mischung aus drei Farben gewarnt wird, da diese eine „schmutzige und leichenhafte" Farbe ergeben.

Abb. 1: Aguilonius' Helligkeitsskala von 1613, bei der Gelb, Rot und Blau zwischen weiß und Schwarz platziert sind.

Der Kupferstecher und Erfinder des Farbdrucks Jakob Christoph Le Blon (1667 - 1741) formuliert um 1720 schließlich die Theorie des Gelb-Rot-Blau Paradigmas, das fortan dominiert und zum Teil bis heute vor allem in Kunsterzieherkreisen gelehrt wird. Die Essenz dieser Theorie - auf einer Seite seines Traktats zusammengefasst (Abb. 2) - besagt, dass es drei Grundfarben gibt, nämlich Gelb, Rot und Blau, aus denen alle anderen Farben erzeugt werden können und die zusammengemischt Schwarz ergeben. Dies war für Le Blon die Basis, mit seiner auf dieser Theorie fußenden neuen Technik des Farbendrucks Gemälde zu reproduzieren. Übereinander gedruckt ergibt ein Rot-, Blau- und Gelbauszug das entsprechende Resultat (Abb. 3), dessen fehlende Brillanz für sich spricht. Dies liegt zum einen daran, dass die Pionierleistung Le Blons drucktechnisch noch lange nicht ausgereift war, aber zu einem großen Teil auch am jeweiligen Farbton der Ausgangsfarben, die ungünstig gewählt waren wenn man das heute standardisierte Yellow, Cyan und Magenta der Druckindustrie als Vergleichsmaßstab heranzieht. Dennoch findet sich Le Blons Theorie in zahlreichen so genannten „Farbenlehren" bis heute fast wortwörtlich wieder. Zudem ist bei Le Blon der Grundstein gelegt, die für ein technisches Verfahren - den Farbendruck - reduzierten Ausgangsfarbmittel mitsamt der dazugehörigen Theorie bedenkenlos auch auf den Bereich der Malfarben zu übertragen. Dies ist für die Kunsterziehung alles andere als unproblematisch und gipfelt später in der auf das Klientel der Kunsterzieher ausgerichteten äußerst fragwürdigen Theorie des Druckspezialisten Harald Küppers [vgl. 3], der auch die Farbauswahl in den heutigen Schulmalkästen maßgeblich mit beeinflusste.

Abb. 2: Eine Seite aus Le Blons Traktat von ca. 1720 mit den Grundlagen der Gelb-Rot-Blau Theorie.

Abb. 3: Von Le Blon um 1735 hergestellte Farbauszüge einer Rot-, einer Blau- und einer Gelbplatte, die übereinander gedruckt das Ergebnis (rechts unten) ergeben.

1758 unternimmt der Göttinger Gelehrte Tobias Mayer (1722 - 1762) erstmals den Versuch, die Gesamtheit der Farben systematisch aus Gelb, Rot und Blau durch Mischung zu erzeugen. Hierzu werden für Gelb, Rot und Blau zunächst die konkreten Pigmente Königsgelb, Zinnober und Bergblau festgelegt. Die Grundfarben werden an die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks platziert und jeweils mit dem Exponenten 12 versehen (Abb. 4). Am Rand des Dreiecks liegen die Mischungen aus je zwei, im Inneren des Dreiecks aus je drei Grundfarben. Insgesamt beinhaltet dieser Basistriangel Orte für insgesamt 91 Farben, deren Mischanteile durch die Exponenten, die sich immer zu 12 addieren, mathematisch exakt festgelegt sind. Ob es sich bei der Mischung allerdings um Volumen- oder Gewichtsanteile der beteiligten Pigmente handelt, gibt Mayer nicht an. Abweichend zu Le Blon behauptet Mayer, dass Gelb, Rot und Blau zusammen gemischt nicht Schwarz, sondern Grau ergeben. Entsprechend erfährt sein Basistriangel eine Erweiterung sowohl nach Weiß, als auch nach Schwarz, was zu einer Doppelpyramide führt , dem ersten dreidimensionalen Farbenraum mit insgesamt 819 Farborten (Abb. 5). Allerdings bleibt es beim Gedankengebäude. Mayer kommt selbst nicht über praktische Versuche zur Ausmischung seines Basistriangels hinaus.

Abb. 4: Mayers Basistriangel von 1758 mit 91 Farborten, die aus den drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau durch systematisches Mischen zu generieren sind

Abb. 5: Rekonstruktion von Mayers Doppelpyramide, dem ersten dreidimensionalen Farbsystem, das durch Erweiterung des Basistriangels nach Weiß und Schwarz hin entsteht

Mayers Idee fiel jedoch auf fruchtbaren Boden und so versuchte ein weiterer Gelehrter Johann Heinrich Lambert (1728 - 1777), diesmal in Berlin mit Hilfe des dortigen Hofmalers Calau, das Mayer'sche System 1772 zu realisieren. Allerdings verwandte Lambert mit Gummigutt, Karminrot und Berlinerblau andere Pigmente als Mayer und postulierte außerdem im Unterschied zu diesem, dass sich aus den drei Grundfarben kein Grau, sondern zusammen gemischt ein Schwarz ergibt. Den Beweis für die Schwarzmischung bleibt Lambert allerdings schuldig, denn er wählt ein Dreieck mit nur 8 statt 12 Mischungsstufen. Die Mischverhältnisse wiederum, die sich durch die Exponenten ergeben, sind so gewählt, dass quasi nur um den Ort des Schwarz herum gemischt wird, ohne dieses erzeugen zu müssen, was in der Praxis auch nur unzulänglich funktioniert hätte! Durch Lamberts Postulat der Schwarzmischung wird jetzt allerdings der untere Teil der Mayer'schen Doppelpyramide mit den Mischungen in Richtung Schwarz komplett überflüssig und so hellt Lambert seinen Basistriangel nur noch nach Weiß hin auf, wodurch die ursprüngliche Doppelpyramide jetzt zu einer einfachen Pyramide schrumpft (Abb. 6), was eine nicht gerade unerhebliche Abweichung darstellt!

Abb. 6: Lamberts Farbenpyramide von 1772

Durch die in der Mitte des 19. Jahrhunderts veröffentlichten Arbeiten des Briten David Ramsay Hay (1798 - 1866), der sich als House Painter and Decorator to the Queen bezeichnete, erhält das Gelb-Rot-Blau Paradigma einen weiteren Schub. Zunächst untermauert Hay die Ansicht, dass Gelb, Rot und Blau die drei Grundfarben sind, aus denen alle übrigen ermischt werden können und selbst nicht durch Mischung zu erzeugen sind. Im Zuge dieser Theorie verbreitet er die Begriffe Primär-, Sekundär- und Tertiärfarben (Abb. 7a); vor allem jedoch zieht er (unzulässigerweise) ästhetische Schlüsse aus dem Verhalten von Pigmenten, z. B. aus so genannten „Komplementärmischungen" (Abb. 7b) und gründet darauf Gesetze der Farbenharmonie (Abb. 7c). Mit Hay bekommt die Gelb-Rot-Blau Theorie damit quasi ihre endgültige Fassung, wie sie in vielen Lehrbüchern anzutreffen ist, die im Kunstunterricht auch heute noch Verwendung finden.

Abb. 7: Die drei Tafeln aus einer 1845 von Hay veröffentlichten Arbeit [4] zeigen
a die so genannten Primärfarben Gelb, Rot, Blau und die Sekundärfarben Violett, Grün und Orange, dessen Pigment schon oxidiert ist,
b Mischungen der so genannten Komplementärfarben Rot und Grün,
c harmonische Farbkombination mit der Primärfarbe Rot.

Ebenfalls der Gelb-Rot-Blau Theorie anhängend, aber mit deutlich abweichenden Farbtönen präsentiert 1816 der bayerische Hof- und Theatermaler Matthias Klotz (1748 - 1821) sein auf den drei Grundfarben basierendes Farbsystem (Abb. 8). Klotz war ein Zeitgenosse Goethes und wie dieser experimentierte er mit Prismen und Lichtfarben, deren Ergebnisse er mit Pigmentfarben gleichsetzte. (Den Unterschied zwischen Licht- und Körperfarben mit den entsprechenden Konsequenzen klärte Helmholtz erst ca. 50 Jahre später). In Anlehnung an die von ihm beobachteten Kantenspektren wählt Klotz neben einem Gelb, ein im Vergleich zu Lambert etwas weniger rötliches Blau und ein bläuliches Rot, so dass er sich mit Gelb, Rot und Blau schon den heutigen Druckfarben Yellow, Cyan und Magenta annähert, mit denen er vergleichsweise gute Ergebnisse bei der Pigmentmischung erzielt, was sich in den 97 sauber ausgefärbten Mustern seiner Farbenscheibe (Abb. 8) deutlich ablesen lässt. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass diese Farbenscheibe Teil eines räumlich gedachten Farbsystems ist, das erstmals mit den drei voneinander unabhängigen Parametern Bunt-, Brechungs- und Helldunkelmodifikation bereits ein Vorläufer ist für eine moderne Farbordnung mit den empfindungsgemäßen Merkmalen Farbton, Buntheit und Helligkeit, die sich bestens als didaktisches Grundmodell für den Kunstunterricht eignet.

Abb. 8: Von Klotz als Kanon der farbigen Totalität bezeichnete Farbenscheibe von 1816

Am weitesten entwickelt ist die Gelb-Rot-Blau Trias in der Druckindustrie, wo es auch berechtigterweise hingehört und einen industriellen Standard bildet. Im Vierfarben-Offsetdruck kommen Gelb, Blau und Rot in Form von Yellow Y, Cyan C und Magenta M zum Einsatz. Dazu kommt Schwarz K, das eben nicht in der gewünschten Qualität aus den drei bunten Farben erzeugt werden kann! Entsprechend werden für jede Bildvorlage vier Farbauszüge hergestellt, die gerastert übereinander gedruckt das Druckbild erzeugen, wobei für die aufgehellten Nuancen das Weiß des Papieruntergrundes zuständig ist (Abb. 9).

Die Reduktion auf vier „Grundfarben" ist eine rein technische Einschränkung, der ein optimiertes Kosten-Nutzen-Verhältnis zugrunde liegt, das trotz eines deutlich eingeschränkten Farbumfangs für den überwiegenden Teil aller Druckerzeugnisse wie Prospekte, Bücher, Kalender, usw. völlig ausreichend ist.

Es wurden Verfahren entwickelt wie das Pantone Hexachrome, das mit 6 Farbpasten (zusätzlich mit Orange und Grün) arbeitet, oder Küppers' Patent des 7-Farbendrucks (zusätzlich mit Orangerot, Grün und Blauviolett), mit denen sich ein um fast 40 % erweitertes Farbgebiet erzielen lässt [vgl. 3]. Doch in der Praxis kommen diese Verfahren kaum zur Anwendung, da sie einen immens großen technischen Aufwand erfordern und daher für die meisten Anwendungen schlichtweg zu teuer sind.

Wer also kein im Vierfarbendruck zu erzielendes fotografisches Abbild herstellen will, sondern nur einige Farben, z.B. für eine Komposition einfarbiger Flächen benötigt, der kann auf das Druckfarbensortiment HKS, mit seinen zehn Grund- und 78 Mischfarben, zurückgreifen oder auf den Pantone Color Formula Guide (Abb. 10), mit dem der Drucker nach Rezeptangabe aus 14 Basic Colors 1100 so genannte Schmuckfarben ermischen kann.

Etwa genau so viele „Grundfarben" wie beim Pantone Color Formula Guide dienen in Form von Pigmentpasten bei den Farbmischmaschinen der Bautenfarbenindustrie (Abb. 11) dazu, zig-tausende von definierten Farbnuancen zu ermischen. Allerdings sind die Sortimente der Grundfarben in beiden Bereichen - Druckfarben, Bautenfarben - unterschiedlich. So gibt es z.B. bei den Bautenfarben aus Gründen der Kosten und der Lichtechtheit Oxidgelb (Ocker) und Oxidrot (Braunrot), die bei den Druckfarben aus reinem „teurem" Gelb, bzw. reinem „teurem" Rot gemischt mit Schwarz erzielt werden. Ein Faktor für die Pigmentwahl ist die relativ geringe Farbmenge beim Drucken im Unterschied zu dem ungleich größeren Aufwand an Farbmaterial im Baufarbenbereich.

Abb. 9: Die vier „Grundfarben" Yellow, Cyan, Magenta und Schwarz des Offset- und Digitaldrucks

Abb. 10: Fächer des Pantone Color Formula Guide mit den 14 so genannten Basic Colors, die auf den ersten beiden Streifen zu sehen sind

Abb. 11: Detail einer heute im Bautenfarbenhandel üblichen Mischmaschine mit 14 Pigmentpasten

Rückt man von den Pigmentfarben ab und nimmt die Lichtfarben in den Fokus, dann gibt es wieder andere „Grundfarben", sowohl was die Anzahl als auch die Farben selbst betrifft. Etwa zeitgleich mit dem bereits erwähnten Le Blon führte Newton sein berühmtes experimentum crucis durch, bei dem er einen Lichtstrahl in einem dunklen Zimmer durch ein Prisma lenkte, wo sich das farbenprächtige Spektralband zeigte, das Newton anschließend durch eine Sammellinse wieder zu „weißem", bzw. farblosem Licht vereinigte. Das Ergebnis dieses Versuchs stellte er in seiner Farbenscheibe dar, deren Rand von den Spektralfarben eingenommen wird, die zusammen wieder das Weiß im Zentrum der Scheibe ergeben (Abb. 12). Die Strecken vom Mittelpunkt bis zum Rand der Scheibe bilden mehr oder weniger aufgehellte, bzw. gesättigte Farben. Newton haben wir die erste in sich zurücklaufende Farbtonfolge, den so genannten Farbenkreis, zu verdanken. In unserem Zusammenhang ist besonders interessant, dass Newton, der Ahnherr des rationalen nachvollziehbaren wissenschaftlichen Vorgehens, in Ermangelung sonstiger Kriterien, das Spektrum schlichtweg in Analogie zur Musiktheorie in 7 Stufen unterteilte, die er als Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett und Rot angibt, was nicht nur willkürlich, sondern in Anbetracht der feinen Farbübergänge innerhalb des Spektrums auch ziemlich oberflächlich erscheint. Aber mit Newtons Autorität hatte sich auch die Zahl 7 bei den Grundfarben in der Farbtheorie festgesetzt. Da der Unterschied zwischen Licht- und Körperfarben noch nicht bekannt war, überrascht es auch nicht, dass es später viele Newton-Gegner gab, die das Spektrum auf die drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau zurückführen wollten.

Auch wenn Goethe ebenfalls ein erbitterter Gegner von Newton war, so unterschied er sich doch von den eben genannten dadurch, dass er sich wohl deshalb - weil auch er mit Prismen experimentierte - hinsichtlich der Farbenlehre eher als Physiker sieht und zwar als einer, der nur zwei Grundfarben annimmt, aus denen alle übrigen zusammengesetzt sind. Für Goethe sind dies Gelb und Blau, aus denen zunächst in einer „Steigerung" das Purpur hervorgeht und aus diesen erst alle übrigen [5]. Diese Theorie hat eine gewisse Ähnlichkeit zu der des Aristoteles, dessen Weiß und Schwarz bei Goethe von den polaren Helligkeiten der bunten Farben Gelb und Blau eingenommen werden.

Abb. 12: Newtons Farbenscheibe von 1704 mit 7 Grundfarben in Analogie zur Musiktheorie

Von Thomas Young (1773 - 1829), James Clerk Maxwell (1831 - 1879) und Hermann von Helmholtz (1821 - 1894) wird der Vorgang des Farbensehens untersucht und in diesem Zusammenhang entsprechende Mischversuche mit dem Farbenkreisel und mit farbigen Lichtern unternommen, wobei sich herausstellt, dass sich hier bei der so genannten additiven Mischung bessere Ergebnisse mit einem anderen Grundfarbentripel als mit Gelb, Rot und Blau erzielen lassen. Jetzt sind es drei „Grundfarben" aus den Bereichen Orangerot, Blauviolett und Grün, aus deren Zusammenwirken heutzutage jedes farbige Fernseh- und Monitorbild erzeugt wird (Abb. 13). Aber auch hier sind es nicht „die Grundfarben" per se, sondern die technische Handhabbarkeit und die weltweit etablierte Norm der Industrie, durch die sich eine sinnvolle Beschränkung auf nur drei verschiedene Lichtquellen etabliert hat. Es gab schon Überlegungen, beim Fernseher noch einen weiteren Phosphor hinzuzunehmen (statt des Grün, ein gelblicheres und ein bläulicheres Grün), wodurch der ansteuerbare Farbbereich deutlich erweitert wäre, was zwar technisch machbar ist, aber aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiterverfolgt wurde. Dieses Beispiel soll lediglich zeigen, dass auch bei der additiven Mischung die Dreizahl der „Grundfarben" kein Absolutum ist. Ein weiterer Beleg hierfür ist Wilhelm Ostwald (1853 - 1932), der sich bei seiner - mit dem Farbkreisel aufgebauten - Farbenordnung auf vier Grundfarben stützt (Abb. 14), die allerdings wiederum auf einer eher unangemessenen Auffassung der Hering'schen Theorie beruhen, von dessen Grundfarben seine vier auch deutlich abweichen.

Abb. 13 Illustration des Grundfarbentripels der Monitore und Bildschirme RGB soweit mit Druckfarben möglich

Abb. 14: Ostwalds vier Grundfarben Gelb, Rot, Ublau und Seegrün, die er mit Kress, Veil, Eisblau und Laubgrün zu insgesamt acht so genannten Hauptfarben erweitert, aus [6]/p>

Das allseits bekannte, auf eine 1931 von der Internationalen Beleuchtungskommission (CIE) getroffenen Vereinbarung zurückgehende CIE-Diagramm, das wegen seiner Form auch salopp als Schuhsohle bezeichnet wird, ist quasi die auf einem Standardbeobachter beruhende quantifizierte Form des Newton'schen Diagramms, das als qualitativer Vorläufer dazu gelten kann. Im CIE-Diagramm werden additive Mischbeziehungen durch gerade Linien ausgedrückt. Die Grenze des sichtbaren Bereichs bildet die gekrümmte Linie des Spektralfarbenzugs und die Purpurgerade, die durch Mischung der beiden Spektrumsenden entsteht. Im Zentrum des Diagramms liegt - analog zu Newton - das Weiß (Abb. 15). Einzelne Farborte werden durch Anteile der so genannten Normfarbwerte X, Y und Z angegeben, die außerhalb der Schuhsohle liegen. X, Y und Z sind rein mathematische Größen, die also selbst gar nicht wahrgenommen werden können. Damit gibt es sogar quasi unsichtbare „Grundfarben"!

Abb. 15 Die CIE-Farbtafel ist ein Schnitt durch einen Vektorraum, der durch dieVektoren der virtuellen Normvalenzen XYZ aufgespannt wird. Der Ursprung repräsentiert das Schwarz.

Nach den Bereichen der Pigmente und Farbstoffe und der Lichtstrahlung, die auf unser Auge einwirkt, bleibt noch der Bereich zu behandeln, der im eigentlichen Sinne und ausschließlich für die Farbe zuständig ist, nämlich unser Gehirn, in welchem die Farbe = Farbempfindung erst entsteht. Farbe - und das ist heute allgemein anerkannt - ist also ein psychologisches Phänomen.

Als erstes klar herausgestellt hat dies Ewald Hering (1834 - 1918), der davon ausgeht, dass jeder Mensch ein „natürliches Farbsystem" im Kopf mit sich herumträgt. Dieses basiert auf den vier Grundfarben Gelb, Rot, Blau und Grün, die Hering als Urfarben bezeichnet. Hering geht davon aus, dass sich jeder Mensch ein Gelb vorstellen kann, das weder grünlich noch rötlich ist, ein Rot, das weder gelblich noch bläulich ist, ein Blau, das weder rötlich noch grünlich ist und ein Grün, das weder bläulich noch gelblich ist (Abb. 16). Dazu kommen Weiß und Schwarz. Jede Farbe kann man sich nun empfindungsgemäß zusammengesetzt aus den Anteilen der vier Urfarben sowie Weiß und Schwarz vorstellen. Eine bestimmte Farbe lässt sich also auf empfundene Anteile dieser sechs Referenzfarben beziehen, was nichts mit irgendeiner Form von Mischung zu tun hat, sondern lediglich mit der eigenen Vorstellung. Da es keine Farbe gibt, die zugleich gelblich und bläulich erscheint und keine, die gleichzeitig rötlich und grünlich aussieht, können jeweils maximal vier Farbanteile an der visuellen Bestimmung einer Farbe beteiligt sein. So könnte etwa ein bestimmtes Oliv als ein leicht grünliches Gelb mit einem geringen Weiß- und einem hohen Schwarzanteil beschieben werden.

Neben der Auffassung von Hering gibt es eine weitere psychologische Variante, die sich nicht auf Farbanteile, sondern auf Farbmerkmale stützt, von denen die bekanntesten Farbton, Helligkeit und die so genannte Buntheit (nicht zu verwechseln mit Sättigung) sind. Ähnlich wie mit Herings Farbanteilen, lässt sich die Gesamtheit der unterscheidbaren Farben (ca. eine Million) mit den Farbmerkmalen beschreiben und in einem dreidimensionalen Diagramm, dem Farbkörper schematisch darstellen. Lediglich beim System von Henry Munsell (1858 - 1918) finden sich noch fünf ausgezeichnete Farbtöne, die dazu dienen, eine möglichst empfindungsgemäß gleichabständige Farbtonfolge (Farbkreis) zu erzielen und die man mit viel gutem Willen auch als „Grundfarben" bezeichnen kann. In solchen, nach Farbmerkmalen geordneten System spielen Grundfarben im eigentlichen Sinn jedoch keine Rolle mehr. Der Farbenkreis besteht einfach aus so vielen Farbtönen als nötig, um die Gesamtheit der Farben anschaulich zu repräsentieren, wie dies u.a. beim RAL Design System der Fall ist, dessen aktuelle Version mit 39 Farbtönen auskommt.

Abb. 16: Herings Illustration des Urfarbenkreises von 1874 mit Gelb, Rot, Blau und Grün, die als bipolare Diagramme dargestellt sind, um die empfindungsgemäßen Anteile der übrigen Farbtöne aus je zwei Urfarben anzuzeigen

Abb. 17: Übersicht über eine Auswahl an Grundfarben, die veranschaulichen soll, wie unterschiedlich an Farbanzahl und Farbqualität die verschiedenen Auffassungen sind. Von links nach rechts:
Aguilonius / Rubens, Le Blon, Mayer, Lambert, Hay, Klotz, CMYK, Pantone Hexachrome, Küppers 7-Farbendruck, Pantone Color Formula Guide, Bautenfarben Mischmaschine, Newton, Goethe, Maxwell, RGB, Ostwald, Hering, Munsell, RAL Design System.
Die Darstellung ist eine bloße Illustration, die vom Autor rekonstruiert ist und die Verhältnisse nur angenähert wieder geben kann. Zudem lassen sich sehr viele Farben im Druck sowieso nicht darstellen!

Resumee

Die Grundfarben gibt es nicht, sondern lediglich zahlreiche unterschiedliche Auffassungen (Abb. 17), von denen viele eine zu starke Vereinfachung darstellen oder schlichtweg falsch sind. Dies trifft insbesondere auf die Gelb-Rot-Blau Theorie zu, da sich aus dieser Trias niemals die Gesamtheit aller übrigen Farben erzeugen lässt (genauso wenig übrigens aus sechs Grundfarben wie beispielsweise bei Küppers). Die Gelb-Rot-Blau Trias resultiert aus den Erfahrungen mit der Pigmentmischung und stellt eine heute nicht mehr vertretbare Verallgemeinerung dar, denn aus ihr lassen sich durch Mischung zwar alle Farbtöne erzeugen, aber nicht in der größtmöglichen Buntheit. Dies kann jeder nachvollziehen, der schon einmal versucht hat, ein reines Violett aus Rot und Blau zu bekommen. Konsequenterweise werden in entsprechenden Anwendungsbereichen, wie beim Druckfarbensortiment Pantone Color Formula Guide oder bei Farbmischmaschinen für Baufarben weit mehr als zehn „Grundfarben", sprich Pigmentpasten, verwendet [vgl. 3].

Die Pigmente, die im Laufe der Geschichte für Gelb, Rot und Blau gewählt wurden, waren keinesfalls einheitlich. Bei Mayer und Lambert führte die unterschiedliche Pigmentwahl zu großen Diskrepanzen in der Farbenordnung und das von Lambert verwendete Berlinerblau gab es zu Zeiten von Aguilonius und Rubens noch gar nicht.

Eine unzulässige Erweiterung erfährt das Gelb-Rot-Blau Paradigma dann noch durch die Verknüpfung mit ästhetischen Aspekten, wie etwa bei Hay, wo aus dem Mischverhalten Gesetze der Farbenharmonie abgeleitet werden, was einen mehr als fragwürdigen Zusammenhang darstellt!

Zudem wurde Gelb-Rot-Blau nicht nur stets durch andere Pigmente dargestellt, die, trotz gleichen Aussehens, in ihrem Mischverhalten äußerst unterschiedlich sein können, sondern auch die Farbtöne haben sich immer weiter verschoben, was am wenigsten auf das Gelb, aber stärker auf das Blau und am deutlichsten auf das Rot zutrifft, das - wie schon bei Klotz - immer stärker in Richtung Magenta driftet. Mit einem empfindungsgemäß reinen Rot, so wie es etwa von Hering definiert wird, hat das Magenta mit seinem starken Blauanteil nichts mehr gemein (Abb. 17).

Die Reduktion auf nur wenige Grundfarben - besser gesagt Pigmente oder Farbmittel - hat nur dort eine Berechtigung, wo es technisch und wirtschaftlich Sinn macht, wie z.b. im Offset- oder Digitaldruck, wo man jedoch noch nicht einmal mit Yellow, Cyan und Magenta auskommt, sondern auch noch Schwarz hinzunehmen muss.

Auch die drei „Grundfarben" Orangerot, Grün und Blauviolett RGB, aus denen sich durch elektronisch angesteuerte Phosphore oder flüssige Kristalle das farbige Bild der Monitore zusammensetzt, sind in erster Linie einer internationalen Norm und technischen Verfahren geschuldet.

Bei diesen beiden letztgenannten Verfahren, wo subtraktive und additive Mischung technisch ausgereift und ausgereizt sind, verhalten sich die darin enthaltenen Farbentripel CMY und RGB keineswegs komplementär zueinander, was viele Lehrbücher suggerieren. CMYK und RGB sind an bestimmte Pigmente, bzw. an ganz bestimmte Lichtreize gebunden, die Farbräume aufspannen, die sich wechselseitig durchdringen, aber weder deckungsgleich sind, noch in einer linearen gesetzmäßigen Beziehung zueinander stehen (Abb. 18). Es gibt Druckfarben, die sich auf dem Bildschirm nicht erzeugen lassen und umgekehrt.

Bis hierher war übrigens noch gar nicht im eigentlichen Sinne von Farben die Rede, sondern lediglich von Pigmenten und Lichtreizen und deren Zusammenwirken, dessen Resultat ja erst deutlich hinter dem Auge den Farbeindruck hervorruft. Erst in der Region des Gehirns kann von Farbe die Rede sein, so dass der Begriff Grundfarbe bestenfalls auf die vier bunten Urfarben Herings zutrifft, zu denen noch Weiß und Schwarz hinzukommen. Daneben gibt es die empfindungsgemäßen Farbmerkmale Farbton, Helligkeit und Buntheit, mit denen sich die Gesamtheit der Farben erfassen und beschreiben lässt und die ebenfalls in den Bereich der Psychologie fallen, weshalb sie zu Recht als „Farb"-Merkmale bezeichnet werden.

Empfehlungen für den Kunstunterricht

Ein Grundproblem ist, dass die ersten bewussten Erfahrungen mit Farbe schon sehr früh über den Umgang mit Farbmaterialien, häufig kombiniert mit Mischübungen erfolgen, die dann früher oder später auf der Grundlage des Gelb-Rot-Blau Paradigmas mit all seinen Implikationen bis hin zur obligatorischen Farbenharmonie und Farbkontrastlehre, (als Itten'sche Farbkontraste heute weltweit verbreitet [vgl. 3, 7]), reflektiert und verinnerlicht werden. Im Extremfall führt das dazu, dass Farbwirkungen nicht mehr individuell empfunden, sondern auswendig gelernt und sogar in Klausuren (das Zentralabitur nicht ausgeschlossen!) quasi abgefragt werden.

Der Umgang mit Farbmaterialien angefangen vom obligatorischen Deckfarbenkasten bis hin zu Acrylfarben, Aquarellfarben und sonstigen Farbmitteln ist ein fester und wichtiger Bestandteil des Kunstunterrichts, der jedoch so gestaltet sein sollte, dass keine weder richtig noch falsch verstandene Theorie der Pigmente die Farbwahrnehmung der Schüler beeinflusst. Damit das Empfinden von Farben und Farbwirkungen nicht sofort an vorgegebenen Kontrasten gemessen wird, sondern möglichst unvoreingenommen, subjektiv und erlebnishaft bleiben kann, werden einige knappe Empfehlungen ausgesprochen, die Farbmaterial, Farbtheorie, Farbkreis und Mischübungen, Bildbetrachtung, Gestaltungsaufgaben und die Kunstgeschichte betreffen.

Was ist Farbe?

Beim Umgang mit jeglicher Art von Farbmaterialien hat man es zunächst einmal grundsätzlich mit technischen und physikalischen Vorgängen zu tun. Erst das Ergebnis wird anschließend als Farbempfindung in unserem Gehirn wahrgenommen. Obwohl wir im Deutschen das Wort Farbe sehr universell benutzen, ist es wichtig, dass im Unterricht der Unterschied zwischen Pigmentfarbe und Farbempfindung zunächst deutlich herausgestellt und auch immer wieder, wo es sich anbietet, akzentuiert wird [vgl. 3]. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, von nachweislich überholten Theorien und ideologisch gefärbten (Farben-)Lehren loszukommen.

Was ist an „Farbtheorie" nötig?

Eine von Pigmentfarben hergeleitete Theorie mit eklektischen Versatzstücken wie Grundfarben, Sekundärfarben, Farbkreis, Harmonie- und Kontrastlehre, und als Anhängsel Farbenkörper sollten jedenfalls vermieden werden. Stattdessen sollte man schlichtweg betonen, dass die Farbe = Farbempfindung ist, dass jede der ca. eine Million unterscheidbaren Farben in einem anschaulichen dreidimensionalen Farbkörpermodell Platz haben, das nach Farbton, Helligkeit und Buntheit strukturiert ist und dass dieses Modell kein Anhängsel, sondern das zentrale Bezugssystem ist. Wir gehen immer wieder nur mit den Farben um, die allesamt in diesem System erfasst sind. Andere Farben gibt es nicht, weshalb auch keine anderen Modelle oder Schemata notwendig sind. Dieses Modell sollte didaktischen Ansprüchen genügen und dem aktuellen Stand der Farbforschung entsprechen (Abb. 19). Darüber hinaus sind noch Kenntnisse über den Simultankontrast notwendig, da die Erscheinung der Farben abhängig von ihrem jeweiligen Umfeld ist. Hier sei auf die Arbeiten von Chevreul und Albers verwiesen [8; 9]. Viel mehr als die eingehende Beschäftigung mit dem didaktischen Farbkörpermodell, dem Simultankontrast und der Tatsache, die immer wieder betont werden sollte, dass Farben(empfindungen) klar zu trennen sind von Farbmitteln, ist im engeren Sinne an „Farbtheorie" nicht nötig.

Abb. 19: Didaktisches Farbkörpermodell des schiefen Doppelkegels mit der Strukturierung nach den Farbmerkmalen Farbton, Helligkeit und Buntheit [1, 3, 7]

Wie geht man sinnvoll mit dem Farbkasten um?

Zur Standardausrüstung eines jeden Schülers gehört der obligatorische 12-teilige Deckfarbenkasten, der wegen seiner fast universellen Verbreitung exemplarisch für den Umgang mit allen übrigen Farbmitteln behandelt wird.

Während im alten Farbkasten nach DIN 5021 neben Gelb noch Preußischblau und Karminrot, das für die Farbe Rot steht, enthalten waren (Abb. 20), sind es im aktuellen Farbkasten nach DIN 5023, Gelb, Cyanblau und Magenta (Abb. 21), so dass die Gelb-Rot-Blau Theorie in der Variante des Offset- oder Digitaldrucks schon durch das Farbmaterial implizit vorgegeben ist. Führende Hersteller bauen in ihren Werbebroschüren gezielt auf dieser Farbentrias auf und entfalten dort das ganze Programm des Gelb-Rot-Blau Paradigmas mit Grund-, Sekundär-, Tertiär-, mit Komplementärfarben und mit den bekannten sieben Farbkontrasten [10]. Bei dieser klaren Ausrichtung fragt man sich unwillkürlich, wieso der Farbkasten nicht nur drei bunte Farben (und Weiß und Schwarz) beinhaltet, sondern noch 8 weitere, die man ja eigentlich ermischen könnte! Und in der Tat gibt es nicht wenige Kollegen, die - zumindest zu Beginn - ausschließlich mit Gelb, Magenta und Cyanblau arbeiten lassen. Dies ist zwar durchaus konsequent, geht jedoch am Phänomen Farbe völlig vorbei indem lediglich ein technisches Verfahren ohne Notwendigkeit abgebildet und als solches noch nicht einmal kenntlich gemacht wird.

Statt eine bestimmte Theorie abzubilden, sollte man eher den Fokus darauf legen, was der Farbkasten für die Farbe im Sinne von Farbempfindung zu bieten hat. Nüchtern betrachtet, stellt jeder Farbkasten eine Auswahl an Farbmustern dar, deren visuelle Qualitäten man zunächst studieren und beurteilen kann. Die Farbnäpfchen kann man herausnehmen und in eine empfindungsgemäße Ordnung bringen, die z.B. mit einem Großteil der Farben auf einen Farbenkreis hinauslaufen kann. Je nach Verwandtschaft ergeben sich größere oder kleinere Lücken im Kreis, die sich durch Mischen von Nachbarfarben schließen lassen. Auf diese Weise erhält man weitere Farbtöne und wird gewahr, wo die Pigmentauswahl des Farbkastens Lücken aufweist. Grundfarben spielen bei dieser Herangehensweise überhaupt keine Rolle! Um Schwarz, Weiß und Grau, sowie Ocker und Braun zu integrieren, ist schon eine Erweiterung mit Helldunkelabstufungen notwendig und spätestens wenn jetzt noch trübe Farben hinzukommen, macht es Sinn auf das Farbkörpermodell zurückzugreifen, in welches sich alle Farben des Kastens, daraus entstandene Mischungen und unter Umständen auch gesammelte Stoff- oder Papiermuster, etc. visuell einordnen lassen. Betrachtet und behandelt man die Farbe also rein phänomenologisch, ist es zwar etwas bedauerlich, dass in heutigen Farbkästen Preußischblau und Karminrot fehlen, dafür ist es aber umgekehrt nicht schlimm, dass Cyanblau und Magenta enthalten sind, denn je mehr Farben zum Schauen und Beurteilen (und in Pigmentform auch zum Mischen) da sind, um so besser.

Es empfiehlt sich auch die Anschaffung eines Farbatlas, in dem die Farben nach Farbton, Helligkeit und Buntheit geordnet sind (z.B. RAL Design System), das zum einen eine direkte Anbindung an das didaktische Farbkörpermodell hat, vor allem jedoch eine repräsentative Auswahl der Farbengesamtheit mit weit über 1500 anschaulichen Farbmustern in feinen Abstufungen beinhaltet (Abb. 22), was Orientierung gewährleistet und einen anregenden Eindruck von der Reichhaltigkeit der Farbwelt vermittelt, was konträr dazu steht, dass die Farbengesamtheit auf nur einige wenige „Grundfarben" reduziert wird!

Abb. 20: Pelikan Farbkasten nach DIN 5021 (seit 1954) von 1961, der u.a. Gelb, Karminrot und Preußischblau beinhaltet

Abb. 21: Aktueller Pelikan Farbkasten nach DIN 5023 (seit 1989) mit Gelb, Cyanblau und Magenta

Abb. 22: Eine Seite aus dem RAL Design Farbatlas von 1993, die alle Abkömmlinge eines von insgesamt 39 Farbtönen zeigt (Farbton 270), die nach Helligkeit und Buntheit geordnet sind, was quasi einer Visualisierung des didaktischen Farbkörpermodells (Abb. 19) entspricht

Was gilt es bei Gestaltungsaufgaben zu beachten?

Auch hier sollte möglichst die Farbempfindung durch Beurteilung von Farben und Farbwirkungen ins Zentrum gerückt und das Mischen von Pigmenten nur als Mittel zum Zweck ins Auge gefasst werden. Der Farbenatlas oder auch industrielle Farbenfächer, zur Not auch selbst erstellte Farbmustersammlungen sind gute Hilfsmittel für Schüler zunächst die Farbnuancen herauszusuchen, die sie exakt haben möchten, und dann erst beginnt der gezielte Prozess des Mischens, der sonst entweder eher zufällig verläuft oder man gibt sich mit dem vorgegebenen Angebot an Farbmaterialien weitgehend ohne Mischen zufrieden. Zu einem differenzierten Farbempfinden und einem individuellen Farbklang führt ein solches, in der Praxis nur allzu häufig zu beobachtendes Vorgehen, jedenfalls nicht. Welch differenziertes Gespür für Farben und feinste Übergänge bereits jüngere Schüler besitzen, zeigt die Arbeit einer Jahrgangsstufe 8, die eine Landschaft mit Luftperspektive als Papierschnipselcollage gestalteten (Abb. 23). Die aus Magazinen ausgerissenen Farbschnipsel wurden ausschließlich visuell beurteilt und aufmontiert. Die Technik des Pigmentmischens und Farbauftrags wäre hier eher hinderlich gewesen und hätte wohl kaum in dem Umfang zu solch feinen Abstufungen und Übergängen geführt, die von einem schon früh angelegten differenzierten Farbensinn zeugen, den es zu fördern und nicht durch Reduktion auf Grundfarben zu nivellieren gilt.

von Alina Falkenberg

von Esma Gökce

Von Annika Hausmann

von Ina Falk

Abb. 23: Landschaften mit Luft- und Farbperspektive, Pa-pierschnipselcollage, A3, Jahrgang 8 bei A. Schwarz, Städtisches Mädchengymnasium Essen Borbeck, 2009

Was gilt es bei der Bildbetrachtung zu beachten?

Bei der Betrachtung und Analyse von Bildern kommen die Grundfarben nur indirekt über die damit verknüpften Farbkontraste ins Spiel, die schon Farbwirkungen vorgeben und die wie Filter wirken, durch die das Bild in seiner Farbigkeit wahrgenommen wird. Es gilt also von dieser normativen Kontrastlehre Abstand zu nehmen und die Farben des Bildes auf unvoreingenommene Schüler wirken zu lassen. Anders als die bloße Suche nach Farbkontrasten sind die so gewonnenen Beobachtungen individueller und stärker an Form-Inhaltsbezüge geknüpft. Die Rezeption und Reflexion kann wertneutral und sehr differenziert mit Hilfe der Farbmerkmale Farbton, Helligkeit und Buntheit erfolgen, mit denen sich die einzelnen Farben relativ genau bestimmen lassen. Durch Projektion in das Farbkörpermodell können dann auffällige Farbwirkungen durch entsprechende Farbkonstellationen aufgezeigt oder belegt werden [vgl. 3].

Wie verhält es sich mit Farbtheorien von Künstlern?

Farbtheorien von Künstlern eignen sich nicht besser als andere für den Kunstunterricht, nur weil sie von Künstlern stammen. In den meisten Fällen handelt es sich auch hier um zeittypische Erscheinungen wie bei Runge mit seiner Farbenkugel, in die viel romantisches Gedankengut mit einfloss oder individuelle Dogmen wie bei Mondrian, der übrigens unterschiedliche Gelb-, Rot- und Blautöne benutzte, der sich jedoch mit seinem Freund Vantongerloo, mit dem er gemeinsam der De Stijl Gruppe angehörte, überwarf, auch weil dieser plötzlich zu Grün griff! Interessant sind Künstlerfarbtheorien nur, insofern sie dazu beitragen, etwas über die Künstlerpersönlichkeiten und ihr Werke zu erfahren, nicht jedoch als allgemeine Grundlage für den heutigen Kunstpädagogen, der sich auch im Bereich der Farbe am aktuellen und allgemein anerkannten Stand der maßgeblichen Forschung orientieren sollte.

Anm. 1: Falls nicht eigens angegeben stammen die Informationen und Abbildungen aus den beiden Werken von Schwarz: Farbsysteme und Farbmuster [1] und Kuehni & Schwarz: Color ordered [2].


Literatur

  • [1] Schwarz, Andreas: Farbsysteme und Farbmuster – Die Rolle der Ausfärbung in der historischen Entwicklung der Farbsysteme. Hannover: BDK 2004
  • [2] Kuehni, R. und Schwarz, A.: Color Ordered – A Survey of Color Order Systems from Antiquity to the Present. New York: Oxford University Press 2008
  • [3] Schwarz, A. und Schmuck, F.: Farbe sehen lernen! Mischkurs, Bildanalyse & kritische Betrachtung der Theorien von Itten und Küppers. Düsseldorf: BDK-NRW 2008
  • [4] Hay, David Ramsay: The Principles of Beauty in Colouring Systematized. Edinburgh and London: William Blackwood and Sons 1845
  • [5] Goethe, Johann Wolfang: Zur Farbenlehre. Weimar: Cotta’sche Buchhandlung 1810, § 705.
  • [6] Ostwald, Wilhelm: Farbkunde. Leipzig: S. Hirzel 1923
  • [7] Schwarz, A., Seitz, F. und Schmuck, F: Immer wieder Itten …? Neue Ansätze zum Umgang mit Farbe im Kunstunterricht. Düsseldorf: BDK-NRW 2003
  • [8] Chevreul, Michel Eugene (dt. Ausgabe: Ein deutscher Techniker): Die Farbenharmonie in ihrer Anwendung bei der Malerei … 2. Aufl. Stuttgart: Paul Neff 1847
  • [9] Albers, Josef: Interaction of Color (Die Wechselbeziehungen der Farbe). Starnberg: Josef Keller 1973
  • [10] Kahler, Maiko: Praxis Kunstunterricht – Deckfarben. Hannover: Pelikan Vertriebsgesellschaft 2004